Biography

BIOGRAFIE

Nichts ist mir wichtiger als mein Malen, es ist für mich Freiheit und Zuversicht. Von den Menschen, die zu mir kommen und mich umgeben, erhalte ich neue Kraft, damit ich weiter sprechen, erzählen und vielleicht auch wieder malen kann. Es sind noch so viele weiße Blätter da – leer und weiß – und mein Wollen kennt kein Ende.

(Aus dem Vorwort zum Ausstellungskatalog KAI DIKHAS - ORT DES SEHENS 2, 2012)

Ceija Stojka war Schriftstellerin und Malerin und wurde als jüngste Tochter von sieben Geschwistern in eine österreichische Lovrara-Familie geboren. Die Familie verbrachte die Winter in Wien und fuhr im Sommer als Pferdehändler durch das ländliche Österreich.
Der Anschluss Österreichs im März 1938 änderte die Lebenssituation der damals fünfjährigen Ceija und die aller Sinti und Roma grundlegend und unwiederbringlich. Von ihren Siedlungen in Wien, beispielsweise der Hellerwiese und der Wankog'stätten im 10. Wiener Gemeindebezirk wurden die Großfamilien deportiert, die Wohnstätten wurden nach dem Abtransport zerstört.

Nachdem Stojkas Vater im KZ Dachau ermordet worden war, wurde der Rest der Familie nach Auschwitz-Birkenau deportiert. 1944 wurde kam Ceija mit ihrer Mutter und Schwester nach Ravensbrück, wo sie in der Nähstube arbeiten musste. Kurz vor dem Ende des Krieges brachte man alle drei nach Bergen-Belsen, wo sie am 15. April 1945 endlich befreit wurden. Von der Großfamilie, die etwa 200 Personen umfasste, überlebten nur sie, vier Schwestern und ihre Mutter. Mit der Befreiung kehrte Ceija Stojka 1945 nach Wien zurück, wo sie bis zu ihrem Tode lebte. In den kommenden Jahrzehnten arbeitete sie als Marktfahrerin und Teppichhändlerin, bevor sie in den späten 1980er-Jahren - als über 50 Jährige - als Autorin und Malerin an die Öffentlichkeit trat. 1988 schrieb sie ihr erstes Buch Wir leben im Verborgenen und machte als eine der ersten auf das Schicksal ihres Volkes in den Konzentrations- und Vernichtungslagern aufmerksam. 1992 folgte mit Reisende auf dieser Welt ihre Erinnerungen an die Zeit im Nachkriegsösterreich. Im Jahre 1989 fing sie nach einer Japanreise an, erste Bilder zu malen.

Als Überlebende nahm sie es zeitlebens auf sich, an das Schicksal der Holocaust-Opfer zu erinnern. Mit ihren Schriften und ihrer Kunst übernahm sie die wichtige Aufgabe einer mahnenden Überlieferung der bis heute nicht im kollektiven Bewusstsein der Mehrheitsgesellschaft verankerten Tatsache, dass auch die Roma Opfer des Holocaust waren. Sie brach damit ein Tabu und eine Mauer des Schweigens. Dies beinhaltete aber auch, immer wieder aufs Neue in Kauf zu nehmen sich mit ihren traumatischen Erinnerungen zu konfrontieren. Stojka verlieh in ihrer Arbeit dem Geschehen, das von Juden als Shoa und von Roma als Porajmos, zu Deutsch etwa „das Verschlingen“, bezeichnet wird, ergreifenden visuellen Ausdruck und brach so ein noch immer herrschendes Schweigen. In expressiven Ölgemälden, Aquarellen und einigen eher flüchtigen Skizzen gab sie dem Unbeschreiblichen eine überzeugende Form, überwand zu einem kleinen Teil das Erlittene durch eine drastische und geradezu kindlich-unmittelbar anmutende Darstellung, die die Perversion der Täter und die Unfassbarkeit des Geschehenen überdeutlich macht. Ihre Arbeitsweise war dabei sehr unmittelbar. Oft trug sie die Farbe mit bloßen Händen auf Leinwand, Papier oder schlichten Pappkarton auf. Vielfach sind diesen Bildern kurze kommentierende Texte beigegeben.

An den sogenannten „guten Tagen“ gab sie mit kraftvollen Pinselstrichen und leuchtenden Farben einen heiteren Einblick in die ihr vertraute Vorkriegs-Welt der Lovara Roma. Dies sind „andere“ Bilder, voller Farbe, getragen von einer Atmosphäre der Zuneigung und erfüllt von einem spezifischen Wind. Man sieht Romawagen, Plätze, an denen ihre Familie früher gehalten hat, und vor allem Natur. Diese Bilder sind wie ein Schritt aus der Finsternis heraus, und sie zeigen eine Malerin, deren Werke wie eine Vergewisserung ihrer Existenz und einer Welt jenseits des erfahrenen Albtraums wirken. Selbst wenn die alten Romawagen der Stojka-Familie nicht der Lebenswirklichkeit heutiger Roma entsprechen mögen, so wird ihr Abbild zu einem Symbol des Widerstandes gegen die Enteignung einer Kultur und traditionellen Lebensweise. Während es manchen naiven Malern nicht gelingt, die Naturverbundenheit ihres Volkes wirklich glaubhaft darzustellen, so gehen von diesen Bildern Klarheit und ein regelrecht natürlicher Wind aus. Stojka nimmt sich mit bloßen Händen und ihrer Farbpalette, was ihr in ihrer Jugend für immer entrissen worden schien.

Ceija Stojka starb am 28. Januar 2013 in Wien, vier Monate vor ihrem 80. Geburtstag. Ihr Wirken, ihre Kunst und ihre unersetzliche, liebevolle Persönlichkeit dürfen nie vergessen werden.


CV

Ceija Stojka . Einzel- und Gruppenausstellungen (Auswahl)

2023
Ceija Stojka: We Were Ashamed, ERIAC, Berlin, DE
2022 – 2023
Manifesta Prishtina 2022, collective exhibition "ALL THAT WE HAVE IN COMMON", organised by Museum of Contemporary Art Skopje
2022
Biennale Matter of Art, collective exhibition, Prague, CZ
 
Documenta 15 Kassel, invited artists in cooperation with Foundation Kai Dikhas Berlin, DE ART BASEL, Feature Hall 2.0
 
"La Memoria Invicta" at Factoria Cultural Sevilla, ES
2021
Ceija Stojka, exhibition at the MU.SA – Sintra Museum of Arts within the LEFFEST Film Festival, Sintra
 
Ceija Stojka, Ici, il n'y a pas de pourquoi, exhibition at the Gallery Christophe Gaillard, with support from the Forum Culturel Autrichien , Paris, FR
2020
Ceija Stojka (1933-2013) National Museum Art Center Reina Sofia, Madrid, ES
2019
Actually, the Dead Are Not Dead, Bergen Assembly, Bergen, Norway
 
Not the End. Artists interpret the Holocaust, Levande Historia, Stockholm, Sweden
2018
Et même les mots ne suffisaient pas at the Christophe Gaillard Gallery, Paris, FR
 
Ein Leben danach, nach Auschwitz!, Galerie Kai Dikhas, Berlin, Deutschland
2014
WIR LEBEN IM VERBORGENEN, Heidelberger Kunstverein, Heidelberg, Deutschland
 
SOGAR DER TOD HAT ANGST VOR AUSCHWITZ, Kunstverein Tiergarten & Schwartzsche Galerie, Berlin, Deutschland
 
WIR SCHÄMTEN UNS, Gallery 8, Budapest, Ungarn
 
DIE HELLEN BILDER, Galerie Kai Dikhas, Berlin, Deutschland
2012
STOPPING PLACES II, Galerie Kai Dikhas, Berlin, Deutschland
 
WIND.ERINNERUNGEN, Galerie Kai Dikhas, Berlin, Deutschland
2011
„Reconsidering Roma“, Kunstquartier Bethanien, Berlin
2001
„Ich hab` Angst, Auschwitz könnte nur schlafen“, Stadtgalerie Kiel, Deutschland 2001
2005
„ceija stojka.leben", Jüdisches Museum Wien, Österreich
2008
„Me dikhlem suno – Ich hatte einen Traum“, Lange Nacht der Kirchen, Wien, Österreich
2009
„LIVE-DANCE-PAINT: Works by Romani Artist Ceija Stojka“, Sonoma State University, Kaliformien; Pacific University, Oregon; West Branch Gallery, Vermont, USA