RʳOMA LEPANTO

Venedig ist stolz auf seine scheinbar glanzvolle Geschichte. Gerade hat es den 450. Jahrestag seines Sieges in der Seeschlacht von Lepanto gefeiert, in der die Republik Venedig als Teil der Heiligen Allianz mit Malta und Spanien die osmanische Flotte besiegte. Die Ausstellung RʳOMA LEPANTO ist eine künstlerische Intervention, um diese Geschichte neu zu schreiben: Was aus der Überlieferung getilgt wurde, ist, dass mehrere hundert Ruderer der venezianischen und spanischen Galeeren Roma, Gitanos aus Spanien und Roma aus dem Vatikanstaat waren, die als Sklaven gehandelt wurden und die Kraft für den Sieg der Heiligen Allianz lieferten. Auch auf der anderen Seite in der osmanischen Flotte, gab es Ruderer, die Roma waren. Ähnlich wie in späteren europäischen Kriegen begegneten sie sich in der Schlacht auf unterschiedlichen Seiten. Doch wie in anderen Zusammenhängen wird die Stimme der Unterdrückten zum Schweigen gebracht. Der Erfolg Venedigs wurde auch durch die Energie der Rroma beflügelt. Die Behandlung der Roma als Sklaven durch die Venezianer ist eines der frühesten Beispiele für Antiziganismus, dem die Minderheit bis heute ausgesetzt ist. Die Beiträge der Roma zur europäischen Geschichte werden immer wieder vernachlässigt, und Venedig verdankt seinen größten Sieg teilweise der Kraft der Roma.

RʳOMA LEPANTO ist eine ortsspezifische Kunstinstallation, die im Palazzo Bembo während der 60. Kunstbiennale in Venedig stattfindet. Die Familie Bembo gehörte zu den wichtigsten Adelsfamilien Venedigs. Giovanni Bembo diente als sopracomito di galera (Kommandant) während der Schlacht. Die Ausstellung zeigt nicht nur die Schönheit Venedigs. Sie nimmt dieses historische Ereignis als Ausgangspunkt für eine akute Debatte über Roma als Teil der europäischen Gesellschaft und Geschichte. Indem wir Europa mit seiner unsichtbaren Vergangenheit konfrontieren, können wir einen Schritt in Richtung einer Zukunft der Teilhabe und Ehrlichkeit machen. Die Kunstinstallation rekonstruiert nicht einfach die Seeschlacht, sondern stellt sie in einen Kontext und lädt das Publikum auf eine vieldeutige und glänzende Reise zwischen Vergangenheit und Gegenwart ein. Während der Biennale, am 7. Oktober, dem Gedenktag der Schlacht, findet in der Basilika Santi Giovanni e Paolo eine jährliche Gedenkfeier zu Ehren der Rosenkranzmadonna statt, um an die Schlacht von Lepanto zu erinnern. Die Künstler werden sich daran beteiligen – in Form einer performativen Intervention.

Nach dem erfolgreichen 4. Pavillon der Sinti und Roma, der als Begleitveranstaltung der 59. Biennale von Venedig im Auftrag von ERIAC stattgefunden hat, wird diese Ausstellung erneut Kunst als Motor für Veränderungen präsentieren. Sie fordert eine Heimat für die Kunst der Roma auf der Biennale von Venedig, die immer noch verweigert wird. Roma-Künstler aus ganz Europa treten aus der Unsichtbarkeit heraus, was wir tun können, indem wir ihnen eine Bühne geben. Die Ausstellung erkennt die lange Geschichte der Versklavung der Roma an und präsentiert Kunst als Mittel, um das Gefühl der Minderwertigkeit zu bekämpfen, das das Ergebnis einer zum Schweigen gebrachten Geschichte ist. Indem sie neue Perspektiven auf europäische Ereignisse einbringen, übernehmen die Roma die Kontrolle über die aufgezwungene Geschichte und können durch ihre Kunst ein Selbstbild zeigen, das ein Volk mit Talent und Ideen, mit positiven und phantasievollen Beiträgen zur Gesellschaft und zu unserer Gemeinschaft darstellt.

Die Schlacht von Lepanto war auch ein frühes Medienereignis. Zur Zeit der Schlacht war Venedig das europäische Zentrum für den Druck und die Veröffentlichung von Büchern, in denen die türkischen Feinde in vielen Fällen als monströs und böse dargestellt wurden. Auch diese frühe Version der Massenmedien war von hegemonialer Macht geprägt. Die rassistischen Darstellungen liegen auch dem aktuellen Antagonismus, dem Minderheiten wie die Roma noch heute ausgesetzt sind, zu Grunde. RʳOMA LEPANTO wird sein europäisches Publikum mit seiner Vergangenheit konfrontieren. Ein künstlerischer Ansatz und die einfühlsame und behutsame Begegnung von Menschen in der Kunst werden eine neue Vision eines integrativen Europas eröffnen: Roma sind ein Teil von Venedig, der Biennale von Venedig und von Europa und seiner Geschichte.

Moritz Pankok



Rʳoma Lepanto ist ein Projekt der Stiftung Kai Dikhas in Zusammenarbeit mit ERIAC (Europena Roma Institute for Arts and Culture), dem Dokumentationszentrum Deutscher Sinti und Roma und ECC (European Cultural Centre Italy).



Dieses Projekt wurde mit Unterstützung des Europäischen Roma-Instituts für Kunst und Kultur (ERIAC) durch die Initiative ERIACNET4EU ermöglicht, die von der Europäischen Union im Rahmen des Programms Bürger, Gleichheit, Rechte und Werte (CERV) finanziert wird. Die hier geäußerten Ansichten und Meinungen sind jedoch ausschließlich die des Autors/der Autoren und spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Union oder von ERIAC wider. Weder die Europäische Union noch ERIAC können für sie verantwortlich gemacht werden.


Teilnehmende Künstler*innen:  
Luna De Rosa . Manolo Gómez . Dariya Kanti . Brun Morais . Alfred Ullrich . Kálmán Várady

Kuratoren: 
Moritz Pankok und Miguel Angel Vargas Rubio



Eröffnung: 20.April 2024
Laufzeit: 21. April – 4. November 2024
Eintritt: frei
Ort: Palazzo Bembo, Riva del Carbon, 4793 – 4785, Venezia, IT 30124

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